2.
Dez.
2018

Vom Sitzen ins Tun kommen

Mein Urgroßvater hieß auch Peter. Er war Unternehmer und in seinen jungen Jahren Leibkutscher des Birnbaumer Wirtes. Mein Urgroßvater begleitete diesen zu den Landtagssitzungen von Birnbaum nach Klagenfurt. Das war, wie mir erzählt wird, eine zweitägige Reise. Dann die Sitzung. Dann die Fahrt retour. In letzter Zeit muss ich oft an diese Situation denken oder daran, wie ich meinen Papa als Kind bewundert habe, weil er zu Sitzungen ging. Das kam mir damals bedeutend vor. Sitzungen waren etwas für wichtige Männer. Wer will nicht ein wichtiger Mann sein?

Als ich das erste Mal in einer Sitzung war, kam die Ernüchterung. Es geht inhaltlich um wenig, sondern vielmehr um die eigene Wichtigkeit. Es geht ums Reden, nicht ums Tun. Dafür sind Sitzungen gemacht. Das war früher so, das haben wir gelernt und deshalb machen wir es auch heute so. Und wie das Wort so sagt, wird herum gesessen. Um einen Tisch. Früher im Wirtshaus, heute in braun getäfelten Seminarräumen mit schlechtem Kaffee. Das ist auch noch so, obwohl Sitzungen jetzt Meetings heißen.

Meetings braucht niemand

Jetzt einmal ehrlich. Wie viele produktive Meetings habt ihr erlebt? Ich wenige. Meist kommen die Leute unvorbereitet, oft gibt es keine Agenda. Die Moderation hat sich niemand überlegt. Visualisierungen werden überbewertet. Das Flipchart wackelt, die Stifte schreiben nicht und es gibt zwei bereits auf der Vorderseite beschriebene Seiten. Nach wenige Minuten versinken alle hinter ihren Laptop-Schutzschildern und lassen das Gerede und unzählige Folien über sich ergehen. Man wartet auf die billigen Brötchen oder auf das Ende und stellt gemeinsam fest, dass jemand etwas tun sollte. Studien zufolge verlieren wir so einen halben Arbeitstag pro Woche. Das ist viel. Sinn macht es allerdings keinen. Also sollten wir das ändern.

Meetings reduzieren

Die erste Drehschraube heißt, Meeting-Zeiten radikal zu minimieren. Bei meinem ersten Leitungsjob habe ich die Teamsitzungen um die Hälfte reduziert. Damals haben wir mit dem Untergang des Projektes gerechnet, passiert ist nichts. Im Gegenteil. Wir hatten plötzlich als Team ca. 40h Arbeitszeit an einem Tag gespart. Die konnten wir nutzen. Fürs Tun und Umsetzen. Die zentrale Frage hier lautet: Welche Themen sind so bedeutsam, dass sie in einem Meeting bearbeitet werden müssen? Da fällt einiges weg. Gut so.

Meetings strukturieren

In Meetings ist schnell der Schlendrian drinnen. Führungskräfte kommen zu spät. Niemand ist vorbereitet. Wichtige Themen werden ans Ende gepackt. Entscheidungen vertagt. Die Liste kann man weiterführen. Hier hilft nur ein radikaler Schnitt in der Kultur.
Wir nutzen die Ansätze des Lean Kaffee: Zeit auf zwei Stunden beschränken, Slots für einzelne Themen, unnötige Inputs reduzieren, Entscheidungen in jedem Thema forcieren. Darüber hinaus hilft es, Meetings am Stehtisch zu machen. Das fördert die Bewegung und verhindert das ewige Herumgesitze. Und Bewegung bringt Sauerstoff ins Gehirn. Das schadet oft nicht.

Online nutzen

Heute gibt es wunderbare Möglichkeiten, online miteinander zu kommunizieren und zu arbeiten. Nein, E-Mails mein ich nicht. Ich rede von Slack, Skype, Video-Konferenzen oder Kooperations-Tools. Diese nutzen wir noch viel zu wenig. Lieber reisen zehn Leute für ein Meeting einen halben Tag genervt durch die Gegend. Man muss schließlich Beziehung aufbauen. Das passiert aber nicht, weil alle grantig sind. Wissensarbeit bedeutet, konzentriert zu arbeiten. Deep Work nennt das der Informatikprofessor Cal Newport. Das können wir nicht in Meetings, dafür aber online gemeinsam tun.

Kein Prototyp kein Meeting

Wie kommen wir aus dem ewigen Gerede heraus? Wie kommen wir ins Tun? Ich bin letzte Woche auf einen interessanten Blogpost von Allan Chochinov gestoßen: „Change the word meeting to the word review.” Er schlägt vor, alle Meetings abzuschaffen, in denen kein Prototyp vorgestellt wird.
No prototyp no meeting. Diesen Ansatz finde ich großartig. Er entspricht auch dem Design Thinking Mindset. Dann lasst uns ab morgen in den Meetings nur mehr Prototypen präsentieren und sie gemeinsam weiterentwickeln. Los gehts!