30.
Dez.
2011

Mitmachen ist zu wenig

Wenn ich so zurück blicke ins bald vergangene 2011, dann war dies mitunter auch ein Jahr der Social Media-Errungenschaften, ein Jahr der Social Media-Erregungen und ein Jahr der hochtrabenden Social Media-Worte.
Von der „echten Revolution„, über den „Hype und dessen Ende“ bis hin zur „Social Media Revolution“ war alles vertreten. Die Frage nach dem ROI wurde intensiver diskutiert und nicht zu vergessen die Erkenntnis, dass es doch zunehmend um die Inhalte geht und nicht so sehr um die Instrumente. Das alles find ich auch gut so.

Na und?
Social Media scheinen „normal“ geworden zu sein, noch nicht überall, aber auch die letzten Verweigerer kommen nicht mehr lang ohne aus. Ich glaube, die üben auch schon heimlich. Es wird getwittert, gepostet, geliked und kommentiert, es wird sich dargestellt und vernetzt, es wird Information geteilt. Auch das find ich gut so.
Doch beschleicht mich in letzter Zeit immer intensiver ein komisches Gefühl, eines, das mich zwingt, genauer hinzuschauen. Was passiert wirklich?
Was bringt das Gezwitschere von Armin Wolf zur Postenbesetzung im ORF wirklich? Erreicht er nicht auch nur immer die gleichen Menschen, die gedankenverloren das Gezwitschere weiterzwitschern und so halt mitmachen in der Social Media Welt? Das alles, weil es halt grad „inn ist“, dem Wolf zu folgen. Ich tu es ja auch.

Irgendwie beschleichen mich gewisse Zweifel, die tun sich etwa auch auf, wenn wieder einmal der Peter Kruse von der „Revolution“ und der „Machtverschiebung“ spricht, das noch dazu vor dem Bundestag. Das wird aufgerufen in Youtube, keine Frage und ein Gutteil der Social Media-Szene ist begeistert. „Ein Muss“ wird kommentiert. Ich mag Kruse, auch wenn er sich wiederholt, ich mag auch, was er sagt, nur begeistert bin ich nicht mehr.
Das liegt vielleicht in meiner Natur. Mich beschäftigen eher ein paar zweifelnde Fragen: Was ist an den großen Worten wirklich dran, an der Machtverschiebung zum Beispiel? Wie weit können wir Machtstrukturen mit sozialen Netzwerken wirklich aufbrechen? Welche Menschen und Kompetenzen brauchen wir dazu? Welche Kultur ist dafür notwendig?

Menschen 2.0
Und diese Fragen bringen mich dann weiter, dorthin, wo es mir scheint, dass wir was tun müssten. Wir haben uns viel mit der Technik und den Tools beschäftigt, Seiten und Know-how aufgebaut, Dinge erklärt und soziale Medien bewundert und bestaunt. So ähnlich wie das kleine Buben früher mit Autos gemacht haben. Da hatte ein mit „240 angeschriebener Tachometer“ eine ziemliche Anziehungskraft (zumindest für mich). Die Reise war nebensächlich, das ändert sich bei manchen dann später. Aus diesem Bestaunen der sozialen Medien müssen wir weg, wir müssen weiter zur Reise, wir müssen hin zur Frage: Wohin wollen wir damit?

Aktiv werden, sich einmischen lernen
All diese Überlegungen laufen meines Erachtens auf einen klassischen Punkt hinaus: Die Technologie ist wunder- und brauchbar, das haben wir hinreichend ausprobiert. Wenn wir die Welt damit aber wirklich verändern wollen, dann brauchen wir vor allem Menschen, die nachhaltig auch etwas verändern wollen und die in der Lage sind, soziale Medien dafür gut zu nutzen.
Wir brauchen keine MitmacherInnen, keine LeserInnen, auch keine „Wut-BürgerInnen“ in bürgerlichen Glashäusern, die im Ruhestand selber produzierte Missstände galant anprangern. Wir brauchen gestaltende und sich einbringende Menschen, wir brauchen inspirierende Menschen und nicht „Like it“-Klicker. Wir brauchen Menschen, die ein Gespür für soziale Missstände haben, die Inhalte aufbereiten können, die begeistern und die wissen, wie Veränderung ONLINE und OFFLINE gestaltet werden kann.

Ja, und wie?
Das geht eigentlich recht einfach, glaub ich halt: Wir müssen uns zunächst selber kritisch unter die Lupe nehmen, unser Verhalten reflektieren, unsere Feigheiten und „Mitmach-Tendenzen“. Wir müssen aber auch Menschen dahingehend ausbilden, sie fördern, sie ermutigen. Wir müssen genau das auch stärker einfordern und zwar überall: in der Schule, in der Erwachsenenbildung, in den Parteien, in den Shops, einfach überall und immer.
In diesem Sinne freue ich mich auf die nächste Stufe im Social Media-Spiel. Diesmal sind die Menschen dran.