5.
Jul.
2018

Dabeisein ist zu wenig

Die Wissensgesellschaft braucht neue Methoden und Arbeitsformen. Kollektive Intelligenz ist angesagt. Das ist noch nicht überall angekommen. An allen Ecken und Ende merken wir, dass das Industriedenken nicht so einfach auf die Entwicklung von Ideen und Lösungen umlegbar ist. Der Rohstoff hat sich geändert. Wissen und Kreativität brauchen Vorsichtiges und Feinfühliges.

Netzwerke, Kooperationen, agile interdisziplinäre Teams und eine Vielzahl an Beteiligungsmodellen wurden in den letzten Jahren als Standardaufstellung ins Rennen der neuen Ideen und Lösungen geschickt. Nicht immer hat das funktioniert. Das Kollektive hat seine Tücken, wie etwa die Tauzieh-Experimente schön zeigen. Menschen zu beteiligen macht aus vielen Gründen Sinn, Menschen zu beteiligen schafft aber nicht automatisch bessere Lösungen. Das hat gute Gründe.

Ego-Welt

Lange Zeit waren wir erfolgreich darin, Menschen im Wettbewerb miteinander zu Höchstleistungen zu treiben. Das industrielle System basierte auf dem Merkmal der Ersetzbarkeit von einzelnen Personen. Gutes Management und gute Organisation schlugen die humane Power. Es ging darum, die Zahnräder möglichst präzise miteinander zu verzahnen. Reibung ausgeschlossen. Die Angst, nicht zu den Verlierern zu gehören trieb Menschen an. Das ist tief in uns verankert. Wir sind sozial darauf programmiert, unsere Sichtweise mit aller Kraft zu legitimieren. Ich, ich, ich! Diese Ego-Welt ist rein evolutionsbiologisch immer wieder sinnvoll. Es braucht sie, um Dinge voranzutreiben. Sie macht Systeme aber schnell ziemlich dumm, weil Lautes und Dominantes nicht automatisch das Intelligenteste ist. Wir können das jeden Tag in Gremien, Sitzungen oder in der Politik beobachten.

Levels of Listening

Kreativität und Innovation gehen anders. Einen ersten Denkansatz dazu liefert Otto Scharmer. Er hat mit seinen Levels of Listening ein sehr hilfreiches Modell des co-kreativen Zuhörens formuliert. Die vier Ebenen bilden einen persönlichen Reflexions- Übungs- und Entwicklungsrahmen. Sie sind auch ein Rahmen für die Entwicklung von kollektiver Intelligenz in Teams:

  1. Downloading: Wir suchen nach Bestätigungen für unsere gewohnte Denk- und Verhaltensmuster und hören das, was unseren Erwartungen entspricht.
  2. Objektfokussiert: Wir sind offen für neue und ungewohnte Informationen, achten auf neue Fakten und nehmen Unterschiede wahr.
  3. Empathie: Wir verschieben unseren Fokus von den Dingen hin zur Innenwelt unseres Gegenübers. Ein echter Dialog entsteht.
  4. Schöpferisch: Es entwickelt sich eine Nähe, ein kreativer Flow, der sich der Intuition und dem unbewusstem Wissen öffnet.

Insgesamt geht es bei diesen vier Levels ums Eingemachte, um uns. Die Umsetzung ist deshalb auch eine Herausforderung. Sie hat viel mit bewusster Wahrnehmung, mit der eigenen Verfasstheit und der Präsenz aller zu tun. OM.

Subjekte und Objekte

Ein zweiter hilfreicher Ansatz kommt mir jedes Mal beim Lesen meines Sommerbuches „Zen und die Kunst ein Motorrad zu warten“ in den Kopf. Dort schreibt Robert M. Pirsig über Qualität und deren Subjekt- Objekt-Beziehung. Eine philosophische Motorad-Tour, lesenswert und unendlich inspirierend. Die Überwindung des Ego-Systems hat aus meiner Sicht auch viel mit unserer Beziehung von Subjekten und Objekten zu tun. Einfach gesagt ist das Objekt der Erkenntnisgegenstand, der vom Subjekt (dem Erkennenden) wahrgenommen wird. Die Subjekte sind wir, die Menschen.

Hier gibt es beim Arbeiten miteinander Trennungsbedarf. Wir suchen nach Zugehörigkeit Anerkennung und Wertschätzung. Unsere Ideenpower hilft uns dabei. Ideen sind dann allerdings meist sehr eng mit uns verwurzelt sind. Sie sind eine Art Anerkennungs-Nabelschnur, durch die wir mit Energie versorgt werden. Das ist schön für uns, hindert uns aber oft, die kollektive Power zu entfachen. Schließlich ist es doch nicht ganz unwichtig, wer denn die Idee gehabt hat.

Gelingt es, die eigene Idee als selbständiges Objekt loszulassen und losgelöst von der eigenen Person und dem eigenen Ego zu betrachten, ist diese plötzlich frei für die kollektive Weiterentwicklung. Sie darf verändert, verworfen und modifiziert werden, ohne dass das Ego drunter leidet. Es entsteht das, was Künstler beschreiben, wenn sie ihre vollendeten Kunstwerke ziehen lassen. Platz für Interpretation. Platz für Weiterentwicklung.