30.
Mai.
2018

Innovationsturbo

Kein Wunder, denn einfach war es nie. Da fängt dann gerne die Predigt an. Neues hat sich immer langsam gezeigt und wurde eher in intensiver Auseinandersetzung, im Grübeln, im Nachdenken im Vertiefen und im Ausprobieren entwickelt. Neues hat sich selten schon vorher gefeiert. So ist das auch heute noch.
Dort wo Entwicklungen und Innovation passieren, ist es ruhig. Dort, wo sie nicht stattfinden, wird der Eindruck erweckt, dass alles ganz schnell geht und gehen muss. Denn es fehlt die Zeit. Die Unternehmen ersticken in operativer Hektik und Innovation muss dann irgendwie und irgendwo noch schnell untergebracht werden. Im Handumdrehen innovativ, die nächsten zehn Jahre in zwei Workshop-Tagen als Modell ausgerollt, das neue Produkt am Markt, der Stecker in der Dose und die Welt wieder um ein Stück besser gemacht. Das wäre der Traum.

In Echt geht das anders. Entwicklung und Innovation brauchen Zeit und ein paar Qualitäten, die ein kreatives Ökosystem ausmachen. Diese Qualitäten sind nicht andere, als wir sie in der Industriezeit gelernt haben. Schnell geht da nix.
Der Boden bestimmt die Qualität der Pflanzen. Menschen und ihre gelebten Werte bestimmen die Qualität für echte Entwicklung. Aus meiner Erfahrung sind es ein paar zentrale Punkte, die den Erfolg von Entwicklungen maßgeblich prägen.

Know-why

Entwicklung und Innovation müssen ein Anliegen sein. Sie brauchen eine echte und emotional verankerte Begründung, ein Know-Why. Eigentlich aufgelegt, wenn man bedenkt, dass wir davon leben, dass wir Probleme lösen, neue Produkte und Services verkaufen und damit Wert schaffen. Es braucht Menschen, denen diese Begründung wichtig ist und die verstanden haben, warum. Sonst wird das nix. Sonst bleibt Innovation verordnet oder eine Marketing-Aktion, die eigentlich niemand will. Was ist das gemeinsame Anliegen? Können wir es uns leisten so zu bleiben wie wir sind? In der Beantwortung dieser Fragen liegt viel Energie, Verständnis und Akzeptanz für den Entwicklungsprozess. Ohne Know-why geht es nicht.

Menschen

Entwicklung und Innovation braucht begeisterte Menschen. Ja, die gibt es. Solche, die bereit sind, den herausfordernden und anstrengenden Weg der Entwicklung gemeinsam zu gehen. Wir brauchen Menschen, die neugierig sind, die das Denken in Schleifen und agiles Arbeiten aushalten. Das ist nicht einfach. Das können nicht alle, das halten auch nicht alle aus. Das müssen sie auch nicht. Es reicht, und das ist meine Überzeugung, wenn sich ein gut commitetes Team bildet, und der Rest mit Vertrauen dafür sorgt, dass dieses Team einen guten Arbeitsrahmen vorfindet und in Ruhe gelassen wird.

Innovationskultur

Entwicklung und Innovation brauchen ein gemeinsames Verständnis, wie Lernen passiert und welche Einstellungen, Haltungen und Verhaltensweisen eine Kultur der Innovation ausprägen. Die Kultur ist der Boden für alle Veränderungen. Sie gilt es zu fördern: Welchen Stellenwert hat Innovation bei uns? Welche Einstellungen und Verhaltensweisen müssen wir dafür entwickeln? Wie verzahnen wir Altes und Neues? Wie verschmelzen wir Beständigkeit und Entwicklung?
Entwicklungen und Innovation haben viel damit zu tun, dass wir unsere Annahmen verändern, Dinge in ihrem Wesen verstehen wollen, Feedbacks verwerten und neugierig lernend durch die Welt gehen. Wir brauchen also viel Sensibilität für organisationale Lernprozesse.

Jobs to be done

Entwicklung braucht Impulse von außen. Dafür wurde in den letzten Jahren der Kunde in den Mittelpunkt gestellt. Richtig! Kunden sind wunderbar. Sie wissen viel über ihre alltäglichen Probleme. Sie wissen vielleicht auch, warum sie ein Produkt verwenden. Blöderweise wissen sie recht wenig über die konkrete Lösung. Genau die würden wir aber brauchen und dieser Drang führt uns oft zu voreiligen Bewertungen.
Es geht, frei nach Clayton M. Christensen („Besser als der Zufall“) nicht primär um den Kunden, sondern vielmehr um seine Aufgaben. Welche Aufgaben müssen meine Kunden warum erledigen? Diese Frage ist ein Turbo fürs Verstehen von Ansatzpunkten der Entwicklung und führt fast automatisch zu neuen Blickwinkeln in der Entwicklung. Logisch, wir gehen den Dingen auf den Grund. Wir fragen nach dem Warum.

Prozesskompetenz

Entwicklung und Innovation brauchen Kompetenzen im Design und in der Umsetzung von co-kreativen Prozessen und Räumen. Diese Prozesse und Räume unterscheiden sich von den klassischen Prozessen des Industriezeitalters. Sie sind agiler gebaut, wechseln ihre Muster, fördern kollektive Intelligenz, fordern Vernetzung, Austausch und kreative Reibung. Es braucht Menschen, die diese Prozesse und Räume in Organisationen aufbauen und begleiten können. Leader der Innovation.
Dafür braucht es ein Gespür im Umgang mit Menschen, mit deren Motiven und Widerständen. Dafür braucht es Kompetenzen im Aufbauen und Fördern von intelligenten Systemen und im Aushalten von kreativen Spannungen. Dann werden Systeme wirklich intelligent. Eins plus eins ist dann möglicherweise grün.

Umsetzungsfreude

Entwicklung und Innovation brauchen Umsetzung und den Mut, die Dinge in der echten Welt auszuprobieren. Vom Wiegen wird die Sau nicht fett. In der Analyse-Paralyse entsteht selten Neues. Deshalb heißt es: Raus aus den Gedankenblasen, rein mit der Idee in die echte Welt. Oft ist dann die berühmte Schublade und die Erwähnung im Jahresbericht wieder der einfachere Weg. Er erspart unangenehme Fragen und das eine oder andere Scheiter-Erlebnis. Klar, das tut weh. Hier braucht es wieder Leader, die mutig Ideen und Prototypen aufgreifen, sie mit der Realität in Verbindung bringen und im echten Leben testen und weiter entwickeln. Dann ist das Neue ohnehin schon da. Die Kritiker allerdings auch.

Es ist herausfordernd. Klar. Entwicklungen und Innovationen passieren nicht nach den Erfolgsmustern der Industriezeit und mit dem Management- und Prozessdenken aus dieser Zeit. Sie suchen sich den Weg mit dem Denken und den Methoden der kreativen Wissensgesellschaft. Da heißt es Umdenken. Da heißt es Lernen. Genau diese Haltungen und Kompetenzen der Wissensgesellschaft gilt es in Unternehmen aufzubauen, zu fördern und zu verankern. Sie müssen als Mindset, als Prozesse und in den Strukturen eines Unternehmens in die DNA geschrieben werden. Das braucht Zeit. Das braucht Neugierde am eigenen Unternehmen, Lernschleifen, einen gelassenen Zugang und viel weniger Aufregung. Denn, wo es leise wird, kommt Neues!