25.
Sep.
2014

Beyond Project Management: Es braucht Sinn!

Beyond Project Mangement, das ist das Motto des diesjährigen PM Camps in Dornbirn. Marcus Raitner hat das zum Anlass genommen und eine Blogparade zum Thema ausgerufen, an der ich mich gerne beteilige. Was – so seine zentrale Frage –  ist Beyound Project Management?
Mir gefällt die Idee, über Jenseitiges nachzudenken. Ich möchte fünf Aspekte aufgreifen, von denen ich überzeugt bin, dass sie Projektmanagement und vor allem die Art, wie wir Projekte denken und durchführen, in Zukunft bestimmen werden.

Es geht um die Praxis.

Verfolgt man die aktuellen PM-Diskussionen, so hat man schnell das Gefühl, dass Projektmanagement zum ideologischen Spielfeld, die Metadiskussion zum bestimmenden Inhalt und einzelne idealtypisch skizzierte Zugänge zu Glaubensfragen geworden sind. Auf teils wackeligen Beinen und mit recht allgemeinen Aussagen werden unterschiedliche Projekttypen etwa in agile und klassische Behältnisse sortiert, so als wäre die Welt einfach und alle Projekte miteinander vergleichbar. Eigentlich ist das ein gutes Zeichen, denn es zeigt, dass Projektmanagement ein wichtiges Zukunftsthema ist und bestimmte Annahmen darüber offensichtlich nicht mehr gut genug funktionieren.
Was in all diesen Diskussionen aus meiner Sicht oft vergessen wird, ist die klassische Wozu-Frage. Wozu das ganze ideologische Herumdoktern? Wozu das Spielgelfechten? Ich bin der Überzeugung, dass Projekte und Projektmanagement-Kompetenzen in Zukunft auf vielen Ebenen (Gesellschaft, Unternehmen, Regionen) an Bedeutung gewinnen werden. Dafür muss ein jenseitiger PM-Diskurs wieder mehr an der Praxis andocken, er muss unaufgeregt, einfach und mit hohem Nutzen für die Umsetzung neuer Ideen, für das Lernen in Organisationen oder für die eigene Arbeits- und Lebensqualität sein.

Es geht um die Einfachheit.

Unzählige aktuelle Abhandlungen über die Herausforderungen einer modernen (Arbeits-)Welt beginnen damit, dass sie beschreiben, wie komplex und vernetzt unsere Welt geworden ist. Ich vermute, die Welt war immer schon komplex, nur gab es weniger Menschen, die diese Komplexität gebetsmühlenartig beschwört haben. Auch im Projektmanagement leben natürlich BeraterInnen davon, dass sie ihr Arbeitsfeld und die Methoden als höchst komplexes Räderwerk beschreiben. Projekte und die dazu passenden Methoden werden so schnell zu einem undurchschaubaren Gewirr, dass nur mehr mit guter Beraterhilfe entwirrt werden kann. Die Angst vor der Umsetzung einer „höchst komplexen Aufgabe“ versetzt die Beteiligten in Schockstarre.
Dabei ist das ganze doch gar nicht so kompliziert. Was wäre, wenn Projekte in der Praxis doch nicht so kompliziert und komplex wären, weil deren Erfolg in Wirklichkeit von ein paar Schlüsselbereichen abseits der Methoden und Tools steuerbar wäre: Systemdenken, Beteiligung, Einstellung, Sinn, Begeisterung? Ich glaube, jenseitiges Projektmanagement muss sich als Methode und Verfahren wieder vereinfachen (nicht trivialisieren) und darauf besinnen, was das Ziel und der Sinn von Projekten ist. Projektmanagement ist dabei immer nur Mittel zur Entwicklung oder Umsetzung, nie selber der Zweck. Wenn ich es mir wünschen kann, so bringt jenseitiges Projektmanagement wieder höhere Wirkungsgrade, weniger sogenanntes Antrags- und Dokumentationsmanagement, mehr Vertrauen von Seiten der Auftraggeber und mehr begeisterte ProjektmitarbeiterInnen.

Es geht um die Menschen.

Das beste PM-Werkzeug, die wunderbarsten Sonntagsreden und die tollsten PM-Imperative versagen kläglich, wenn sich die grundlegenden Einstellungen, Haltungen und die mentalen Modelle der Menschen nicht entsprechend mit entwickeln und keine positive Energie aufgebaut werden kann. Es geht in Projekten immer um die Menschen und viele Projekte scheitern nicht an der vielbeforschten „Kommunikation“ sondern an fehlender Sensibilität für die menschlichen Bedürfnisse und Botschaften. Diese Sensibilität lässt sich halt leider auch nicht schnell mal in einem Wochenendkurs lernen, sondern erfordert Selbstreflexion und Auseinandersetzung mit den eigenen Werten und Haltungen.
Jenseitiges Projektmanagement muss die Menschen und alle Beteiligten eines Projektes wieder als Menschen ernster nehmen und sie stärker in den Fokus rücken. Es geht dann viel mehr um soziologische und psychologische Aspekte als um Ablaufdiagramme, geplante Beteiligungen und strategisches Herumgewusel in der Umfeldanalyse. Es geht vielmehr um Offenheit, Ehrlichkeit und ernst gemeinte Einbindung. Ja, es geht dabei um Führung und eine Liebe zu den Menschen.

Es geht um Leadership.

Projektmanagement hat uns lange suggeriert, dass wir, wenn wir es gut genug beherrschen, seinen Prinzipien und Tools folgen, erfolgreiche Projekte umsetzen können. In der PM-Literatur der letzten Jahre fehlt fast gänzlich das Element der „Persönlichkeit“ und die Kraft, die von echtem Leadership auf Projekte ausgehen kann. Das kann man alles leider halt auch wieder nicht mit einer schnellen Checkliste entwickeln und einfach beschreiben.
Jenseitige Projekte und jenseitiges Projektmanagement brauchen aus meiner Einschätzung wieder die Kraft von wirklich visionären Menschen, die in der Lage sind, ihre eigenen Leidenschaften und Visionen auf andere zu übertragen. Es braucht Menschen, die in der Lage sind, andere zu begeistern. Projektmanagement muss sich statt mit Balkenplänen und Abläufen (das ist nicht in Frage gestellter Mindeststandard) wieder stärker um diese Begeisterung und um den Aufbau von positiven Bildern und Energien kümmern. Es braucht dafür neue Orte für (spirituelle) Reflexionen, es braucht Zeit und Freiräume zum kreativen Innehalten, Nachdenken und Lernen.

Es geht um Sinn.

Ich erlebe Projekte immer wieder als ein oft sinn- und lustloses „Downloaden“ (vgl. Otto Scharmer) alter Muster und bekannter Verfahren, ein Abarbeiten (das Wort höre ich in Beratungen oft). Viel zu selten kommt mir ein wirklich spannendes Projekt unter, das die Menschen begeistert. Das passiert aus meiner Einschätzung unter anderem vor allem deshalb, weil Projekte im Zeitalter der operativen Hektik sehr schnell Lösungen produzieren müssen und das Suchen nach den wirklichen Ursachen aktuell nicht so angesagt ist.
Dabei liegt vor allem hier eine Urkraft verborgen, weil die wirklichen Ursachen den Sinn eines Projektes sicht- und spürbar machen. Jenseitiges Projektmanagement muss sich aus meiner Sicht viel stärker auf wirkliche Ursachen- und Sinnsuche begeben und auf diesen kreativen Prozess einlassen. Dafür braucht es neue Ansätze (etwa Elemente aus Design Thinking), die Entwicklung einer kreativen Ursachenforschungskultur, die Einbindung von Menschen und angstfreie Räume. Diese Sinn-Kultur braucht es dann auch in Unternehmen. Damit bekommen auch dort Projekte endlich eine neue Bedeutung, abseits der Karriereleiterfunktion für eifrige Nachwuchsführungskräfte.